Gladdenstedter und Radenbecker feierten tolles 35-jähriges Jubiläum
Gladdenstedt / Radenbeck – „Hier waren Deutschland und Europa bis zum 2. Februar 1990 um 15.40 Uhr getrennt“, steht auf dem braun-weißen Hinweisschild neben der Ohre-Brücke. An diesen Moment der Freiheit erinnern sich heute noch viele Einwohner. Nach dem Mauerfall wurde entlang der Ohre erst der Zaun abgebaut, dann folgten Maschendraht und Stacheldraht. Beherzte Mauerspechte schlugen zuerst mit dem Vorschlaghammer ein Loch in den etwa sechs Zentimeter dicken Beton.

Das Wunder von 1989 ist zum Glück nicht so abgelaufen wie der Prager Frühling mit dem Aufmarsch von Panzern.
Jübars Ortsbürgermeister Carsten Borchert
Genau diese Minute passte am Sonntag bei der 35-Jahrfeier des historischen Ereignisses Jübars Bürgermeister Carsten Borchert ab und stieß mit den Gästen aus Radenbeck und Gladdenstedt an. Rainer Mennecke aus Gladdenstedt und Henning Huth aus Radenbeck waren damals Zeitzeugen: „Wir haben alles dokumentiert. Das Material ist heute noch da: Fotos und Filme. Auch alles darüber, wie die Bürger selbst das legendäre Mau-erloch in den Eisernen Vorhang geschlagen haben.“
Mauerspechte mussten zum Stasi-Verhör
Berichtet wurde auch, dass danach von Ost und West Bierkästen und Sekt zum Anstoßen herangeschleppt wurden. Helmut Behne hatte einst die heute teuer gehandelten Mauerstücke und den Hammer erworben. Ein weiterer Zeitzeuge war damals neben Wilfried Schierhorn auch Hartmut Mennecke. Erinnerungen machten die Runde, dass die Mauerspechte zum Stasi-Verhör mussten, aber alle dicht hielten. Als der Grenz-Stacheldraht sauber abgewickelt wurde, telefonierten die Grenzer nervös mit ihren Vorgesetzten und machten Fotos. Über Nacht wurde dann das in die Mauer geschlagene Loch wieder mit Streckmetall geschlossen. Doch das half alles nichts: Der Freiheitsdrang der Menschen in Ost und West war zu groß.

Dann wurde im Gladdenstedter Saal der vor fünf Jahren entstandene Film über die Grenzöffnung gezeigt, wo Carsten Borchert und Wittingens Bürgermeister Andreas Ritter Reden hielten und die Dokumentation viel Beifall bekam. „Vielleicht wäre das Ereignis heute anders verlaufen. Wichtig ist aber, dass das Thema Mauerfall heute auch der jungen Generation als glückliches Zeitfenster der Geschichte vermittelt wird“, meinte Ritter.
„Das Wunder von 1989 ist zum Glück nicht so abgelaufen wie der Prager Frühling mit dem Aufmarsch von Panzern“, bemerkte Carsten Borchert. CDU-Bundestagskandidat Gerry Weber kritisierte die Berliner Administration, die lange Jahre „Politik aus dem Elfenbeinturm“ machte. Zeitzeuge Wilfried Schierhorn zog Parallelen von damals zu heute: „Ich hätte mir schon damals mehr mutige Politiker bei den Montagsdemos gewünscht. Die kamen leider erst später dazu“, so der streitbare Einwohner.
Viel Lob gab es am Sonntag für die Gastgeber und Organisatoren um Interessenvertreter Andreas Klink, den Förderverein und die Dorfgemeinschaft aus Gladdenstedt, der mit Radenbecks Vize-Ortsvorsteher Marc Hildebrandt die Besucher begrüßte. Die Kosten der Feier trugen Ost und West gemeinsam.

Gut angenommen wurde auch wieder die riesige Wand mit historischen Fotos zur Grenzöffnung. Hier wurde klar: Der Grenzverlauf durch Gladdenstedt war damals noch etwas anders, als man sich das heute vorstellt. Die Grenzanlage verlief nämlich schräg durch den Ort, etwa in Richtung des heutigen Dorfgemeinschaftshauses.
Damals zogen die Bürger mit dem Transparent „40 Jahre Trennung sind mehr als genug“ von Ost nach West. Zeitzeugen berichten, dass das Lied „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ gesungen wurde. Dann ging es über die Ohre und den Graben gen Westen in Richtung Radenbeck.“ Später lagen sich die Menschen aus Ost und West in den Armen, weinten vor Glück.
Und ein weiteres Kapitel zeigte die Bilderausstellung: Am 28. Mai 1952 musste die fünfköpfige Familie Wieblitz zwangsweise ihre Mühle an der Ohre bei Gladdenstedt verlassen. „Nur drei Stunden Zeit blieb zum Packen“, heißt es in den Erinnerungen der Familie Wieblitz. Eine kleine, aber anschauliche Tafel erinnert heute direkt an der Ohre in unmittelbarer Nähe der Landesgrenze zu Niedersachsen an die grausame Aktion „Ungeziefer“ bei Gladdenstedt.
KAI ZUBER
Quellenangabe: Altmarkkreis Salzwedel vom 05.02.2025, Seite 5
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