Politische Neutralität im Unterricht sei eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein funktionierendes demokratisches Bildungssystem, befindet die AfD-Fraktion. Die Schule habe die Aufgabe, Wissen zu vermitteln, Orientierung zu geben und junge Menschen zu einer eigenständigen Meinung zu befähigen. Die AfD spricht sich für Regelungen aus, die Lehrkräften untersagt, im Unterricht oder im schulischen Umfeld „parteipolitische oder weltanschaulich-ideologische Beeinflussung“ vorzunehmen. Das Bildungsministerium soll zudem einen Beauftragten für Beschwerden wegen politischer Beeinflussung an Schulen ernennen.

Ergebnis
Der Antrag Drs. 8/6015 wird abgelehnt.

Hier finden Sie meine Rede im Landtag von Sachsen-Anhalt am 10. Oktober 2025. Natürlich können Sie sich die Rede auch online ansehen auf dem Landtagsserver anschauen.

Carsten Borchert (CDU):

Herr Dr. Tillschneider, Herr Siegmund oder auch Herr Büttner, ich frage mich jedes Mal, woher Sie dieses Wissen darüber haben, wie es an unseren Schulen in Sachsen-Anhalt in der Breite und in der Fläche aussieht.

(Guido Kosmehl, FDP: Na, sie waren ja hoffentlich auch auf der Schule!)

Sie suchen sich immer irgendwelche Einzelbeispiele aus, die durchaus diskussionswürdig sind, die definitiv nicht richtig sind. Sie behaupten Dinge, die es in der Fläche so überhaupt nicht gibt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beraten heute einen Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel – meine Vorredner haben das bereits gesagt – „Wissen statt Meinung, Toleranz statt Bevormundung, politische Beeinflussungen an Schulen bekämpfen.“ – Das ist ein Antrag, der auf den ersten Blick, wenn man die Überschrift liest, relativ harmlos daherkommt. Doch wer ihn genau liest und Herrn Tillschneider zuhören darf oder muss, erkennt schnell, dass es hierbei nicht um den Schutz der Demokratie geht, sondern um Misstrauen gegenüber unseren Lehrerinnen und Lehrern und letztlich um die Einschränkung freier, lebendiger politischer Bildung.

Herr Tillschneider, Sie haben vorhin davon gesprochen, dass Sie 2026 in diesem Land regieren. Für jeden Lehrer in diesem Land wäre das ein Albtraum, nicht bloß für die Lehrer.

Ich bin sehr gespannt, für wen sich die Lehrer entscheiden, wenn die Lehrer nächstes Jahr abwägen dürfen zwischen einem bildungsverantwortlichen Herrn Tillschneider und einem bildungsverantwortlichen Herrn Riedel.

Es ist wichtig, dass Sie hier so auftreten, wie Sie auftreten. Das ist ganz wichtig, damit man im Nachhinein zeigen kann, wie Sie wirklich sind und wie Sie wirklich ticken. Deshalb machen Sie weiter so.

Natürlich, meine Damen und Herren, ist politische Neutralität im Unterricht ein hohes Gut und natürlich dürfen Schulen keine Orte parteipolitischer Indoktrination sein. Darin sind wir, glaube ich, alle einer Meinung. Das wurde auch schon von allen gesagt. Gerade die CDU-Fraktion hat daran überhaupt keine Zweifel.

Der Antrag der AfD allerdings verkennt, was gute politische Bildung in einer freiheitlichen Demokratie bedeutet. Er verwechselt in diesem Fall – ich denke, ich weiß, wovon ich rede – Neutralität mit Sprachlosigkeit und er missversteht den Auftrag von Schule als einen rein technischen Wissenstransfer. Unsere Lehrerinnen und Lehrer sollen junge Menschen befähigen, selbstständig zu denken, Argumente zu prüfen, Haltung zu entwickeln und sich in einer pluralistischen Gesellschaft zu orientieren. Das gelingt nicht durch Schweigen, sondern durch Dialog, nicht durch das Verbot von Meinung, sondern durch die Auseinandersetzung mit ihr.

Mein Bildungsminister stellte es bereits klar: Unsere Lehrerinnen und Lehrer sind der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichtet. Sie ist im Grundgesetz und in unserer Landesverfassung verankert und danach wird auch gehandelt.

Der Beutelsbacher Konsens, meine Damen und Herren, ist und bleibt der Maßstab. Und er ist alles andere als ein „stumpfes Schwert“, wie es in Ihrem Antrag heißt. Er besagt, dass Schülerinnen und Schüler nicht im Sinne erwünschter Meinungen überrumpelt und indoktriniert werden dürfen, sondern zu eigenständiger Urteilsbildungen befähigt werden sollen und müssen. Aber, meine Damen und Herren, das bedeutet im Sinne des Konsenses nicht, dass Lehrkräfte keine Meinung äußern dürfen. Der Konsens bedeutet, dass sie unterschiedliche Perspektiven zulassen, Diskussionen ermöglichen und ihre eigene Haltung nicht als allein richtig darstellen dürfen. Wenn zentrale Grundprinzipien unserer Verfassung infrage gestellt oder verletzt werden durch Parteien, durch politische Gruppen oder durch Äußerungen im Klassenzimmer, dann ist es geradezu die Pflicht der Lehrkräfte, keine neutrale Position einzunehmen. Dann müssen sie unsere demokratische Ordnung verteidigen und offen dagegenhalten.

Das, was Sie von der AfD hier vorschlagen, ist kein Schutz der Neutralität, sondern der Einstieg in Misstrauen, Kontrolle und Denunziation.

Ein pädagogisches Mäßigungsgebot, wie Sie es fordern, klingt nach Ordnung, bedeutet aber in der Praxis: Lehrerinnen und Lehrer sollen sich ab sofort selbst zensieren, aus Angst, dass jede Äußerung missverstanden oder gemeldet werden könnte.

Das ist genau das Gegenteil von Freiheit im Klassenzimmer. Und wenn Sie fordern, dass Schulen keine Namen mehr tragen dürfen meine Vorrednerinnen haben es auch schon gesagt , die eine weltanschauliche Tendenz erkennen lassen – was heißt das konkret? Geschwister-Scholl-Schule – Zivilcourage ist verboten. Nelson-Mandela-Schule – Kampf gegen Rassismus gibt es nicht.

Herr Tillschneider, wir brauchen keine Gesinnungspolizei im Lehrerzimmer, wir brauchen Vertrauen und das betone ich wir brauchen Vertrauen in die Professionalität derjenigen, die tagtäglich engagiert Wissen und Werte vermitteln. Wir brauchen starke politische Bildung, gerade in Zeiten, in denen populistische Vereinfachungen, Fake News und Extremismus durch Smartphones Einzug in die Klassenzimmer und in die Köpfe unserer Kinder halten.

Politische Bildung ist kein Risiko, sondern ein Schutzschild unserer Demokratie. Denn wer gelernt hat, Argumente zu prüfen, wer gelernt hat, sich eine eigene Meinung zu bilden und zugleich andere Meinungen zu respektieren, der ist immun gegen Populismus und Extremismus.

Die CDU-Fraktion steht fest zu diesem Bildungsauftrag, wir wollen keine schweigenden Klassenzimmer, sondern junge Menschen, die mitdenken, mitreden und mitgestalten. Darum, meine Damen und Herren, lehnen wir diesen Antrag entschieden ab. Er ist Ausdruck eines Menschenbildes, das Erziehung mit Kontrolle verwechselt. Wir setzen stattdessen auf Vertrauen, Verantwortung und die Stärkung der politischen Bildung im Sinne unserer Verfassung und im Geiste unserer Demokratie. – Vielen Dank.

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