Hier finden Sie meine Rede im Landtag von Sachsen-Anhalt am 02. Juni 2016 zum Antrag der Fraktion AfD

„Zustimmung des Landes Sachsen-Anhalt zum Asylkompromiss im Bundesrat“ – hier geht es zum Antrag der AfD.

Natürlich können Sie sich die Rede auch online ansehen auf dem Landtagsserver 20160602_5_TOP04_Borchert anschauen.

Ich freue mich über Ihre Meinungen und Kommentare. 

Rede im vollem Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich versuche einmal, ein wenig Ruhe in die Diskussion zu bringen, weil ich die Sache von einer anderen Seite betrachten möchte.

Ich weiß, dass die AfD-Fraktion mit großer Spannung die Ausführungen der CDU erwartet. Unsere Fraktion ist diejenige, wie meine Vorredner es schon gesagt haben, die mit der SPD-Fraktion der Meinung ist   wir sind nicht nur der Meinung, sondern wir wollen das auch  , dass in wenigen Tagen im Bundesrat diese drei Länder als sicher entschieden werden.

Ich glaube, alle meine Vorredner haben sich zu diesem Thema schon sehr intensiv geäußert. Vor allem unser Innenminister hat   das kann ich nur wiederholen   rechtssicher erläutert, welche rechtliche Bedeutung Ihr Antrag hat. Das ist, denke ich, sehr wichtig.

Marokko, Tunesien, Algerien sind Länder, in denen es zwischenzeitlich sehr unruhig war und jetzt   Gott sei Dank   wieder ruhiger zugeht, so ruhig, dass viele Menschen wieder dorthin in den Urlaub fahren, auch viele Deutsche. Das muss einen Grund haben.

(Beifall bei der AfD)

Schon deshalb ist es positiv, dass der Bundesrat in seiner nächsten Sitzung diese drei Länder zu sicheren Herkunftsländern zuordnen möchte. – So weit, so gut.

Wenn Sie, liebe Kollegen der AfD, das genauso formuliert hätten und uns vor die Aufgabe gestellt hätten, dem als Land in wenigen Tagen zuzustimmen, ich glaube, dann hätten wir ein kleines Problem, weil dagegen erst einmal nichts zu sagen ist.

Sie wissen aber, dass es einen Koalitionsvertrag gibt, der denjenigen, die ihn geschlossen haben, gewisse Bürden auferlegt und der einiges aussagt, wobei es Dinge gibt, die man nicht so machen kann, wie man möchte, sondern bei denen man, wie es in einer Demokratie üblich ist, mit Kompromissen leben muss, und

(Tobias Rausch, AfD: Mit fünf Hanseln, oder was?)

lassen Sie mich ausreden!   dass man dann entscheiden muss, was richtig ist. Kompromisse sind nicht immer das Schlechteste. Das heißt aber nicht, dass sie immer richtig sind.

Sie hätten uns sicherlich in eine Situation gebracht, die hier in diesem Raum nicht gerade positiv wäre, wenn wir nur darüber hätten abstimmen müssen: Ja, wir wollen, ohne irgendwelche anderen Begründungen. Aber zum Glück haben Sie einen Antrag gestellt und zum Glück haben Sie diesen Antrag begründet.

Ich habe mir überlegt, wie ich das machen würde, wenn ich hier mit Schülern reden würde. Das heißt, nicht ich. Ich bin Sozialkundelehrer gewesen, als ich da draußen war. Dort oben sitzen Schüler. Das finde ich total super. Zufall!

Ich habe mir die Frage gestellt: Wie würde ich diesen Antrag erörtern? Vielleicht machen das die Kollegen, die dort oben sitzen, sogar mit ihren Schülern. Der Antrag ist nicht lang; er ist begründet. Wie würden die Schüler reagieren? Beziehungsweise habe ich mir die Frage gestellt und überlegt, wie ich mit meinen Schülern umgehen würde, um sachlich zu erarbeiten, welchen Sinn Ihr Antrag macht und mit welchen Argumenten er untersetzt ist. Das ist doch erst einmal sehr sachlich.

Dann hätte ich erstens versucht zu fragen: Wer war schon einmal in einem dieser Länder und hat dort Urlaub gemacht? Erzählt mal! – Dann würde sie erzählen, wie es dort gewesen ist. Ich denke, das wird nicht so negativ sein.

Zweite Frage: Erzählt mir oder erzählen Sie mir bitte   es sind ja große Schüler  , wie viele Frauen dort während Ihres Aufenthalts sexistisch angegriffen oder belästigt wurden. Wie oft wurdet ihr bestohlen, körperlich angegriffen oder was auch immer?   Das steht alles so darin. Ich rede von dem Antrag, den Sie gestellt haben. Den habe ich hier und darin steht nicht mehr.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und von der Regierungsbank)

Dann hätten wir die Antworten gesammelt. Was hätten wir festgestellt? – Wahrscheinlich hätten wir festgestellt, dass es eine sogenannte demokratische Partei in Deutschland gibt, die behauptet, dass fast alle Menschen dieser Länder kriminell oder sexistisch gegen Frauen sind, also menschenfeindlich. So haben Sie das hierin geschrieben. Dann würde jeder Jugendliche und auch jeder Erwachsene draußen im Land sagen: Hallo? Wo leben wir? Was sind das für Menschen, die so etwas behaupten?

(André Poggenburg, AfD: Einwanderer!)

Sie haben außerdem das Asylpaket II angesprochen. Einer Ihrer Kollegen hat gemeint, das wird in wenigen Tagen abgestimmt. – Das ist schon längst abgestimmt. Das ist schon geltendes Recht. Wenn das so ist, sollte man das vielleicht auch so erwähnen.

Von der Warte her sind das Dinge, die ich draußen nicht sagen kann, wenn ich sie nicht beweisen kann. Aber wer weiß denn das draußen? Wer beschäftigt sich denn so intensiv damit?

Sie haben vor wenigen Wochen bei der Wahl super abgeschnitten. Darin haben Sie recht. Aber ich glaube, wenn Sie weiterhin solche Anträge stellen und auch so untersetzen, werden wir es schaffen, alle, die hier sitzen, dass die Menschen da draußen, auch viele intelligente Menschen, die Sie gewählt haben, das erkennen. Diese Menschen haben Sie aber nicht gewählt, weil sie Sie wollen,

(André Poggenburg, AfD: Sie wollten Sie nicht!)

sondern weil sie der Meinung waren, irgendetwas muss sich verändern, und weil sie uns einen Denkzettel geben wollten. Wir haben erkannt, dass wir vielleicht nicht immer an der Basis waren, aber wieder an die Basis müssen. Diese Menschen werden Sie in fünf Jahren definitiv nicht mehr wählen, weil sie dann erkennen und wissen, wer Sie sind, was Sie sind und vor allem was Sie nicht sind.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei der LINKEN, bei den GRÜNEN und von der Regierungsbank)

Wissen Sie, ich denke, dass alle Fraktionen dieses Hauses mit ruhigem Gewissen Ihren Antrag ablehnen können, weil er in seinem Inhalt in keiner Beziehung zu den gefassten Beschlüssen des Koalitionsvertrages steht und rechtlich in keiner Form untersetzt ist.

Das zum Abschluss: Man lernt schon in der Schule, dass man es, wenn mehrere Menschen versuchen, gemeinsam zu leben, ohne Kompromisse nicht schafft – ein Grundpfeiler der Demokratie, ohne den Demokratie nicht stehen und bestehen kann. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei der LINKEN, bei den GRÜNEN und von der Regierungsbank)

Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Borchert, Sie sind fertig.

Carsten Borchert (CDU):

Ich bin fertig.

Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie wussten es noch nicht, aber ich habe Ihnen die üblichen 30 Sekunden zusätzlich schon gegeben.

Carsten Borchert (CDU):

Es war mehr?

Vizepräsident Wulf Gallert:

Ja.

Carsten Borchert (CDU):

Meine Rede gestern war kürzer.

Vizepräsident Wulf Gallert:

Ach so. Okay. Aber es gibt noch Nachfragen. Wenn Sie diese beantworten wollen, haben Sie ohnehin noch die Chance, all das zu sagen, was Sie noch sagen wollen.

Carsten Borchert (CDU):

Dann müssen die Fragesteller mich erst fragen.

Vizepräsident Wulf Gallert:

Ja. Sie haben die Chance.

Carsten Borchert (CDU):

Okay.

Vizepräsident Wulf Gallert:

Da aber eine Nachfrage von jemandem, der sich meldet, auch eine Intervention sein kann, die Sie ohnehin nicht verhindern können, muss ich denjenigen sowieso drannehmen. Dann können Sie entscheiden, was Sie damit machen. Ich sehe dort hinten eine Wortmeldung. – Da Sie sich immer umsetzen, sagen Sie lieber selbst Ihren Namen.

(Jan Schmidt, AfD: Schmidt!)

– Herr Schmidt, jetzt habe ich es gehört. Bitte, Herr Schmidt, Sie haben das Wort.

Jan Schmidt (AfD):

Sie haben eben gesagt, dass Sie grundsätzlich dem Antrag zustimmen würden, aber nicht aufgrund der Begründung, und dass Sie es so oder so nicht könnten wegen Ihres Koalitionsvertrages, aber an sich diese drei Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten einstufen würden. Haben Sie sich dann nicht den falschen Koalitionspartner ausgewählt?

(Beifall bei der AfD – Birke Bull, DIE LINKE: Nee, das haben sie nicht! – Zuruf von André Poggenburg, AfD – Lachen bei der AfD – Zurufe)

Carsten Borchert (CDU):

Wissen Sie, die Koalitionspartner hat das Volk bestimmt. Das hat uns nämlich gewählt.

(Lachen bei der AfD – Unruhe im Saal)

– Das ist so. Es ist auch eine Form der Demokratie, dass man das akzeptiert, meine Damen und meine Herren. Das tun Sie nicht.

(Zurufe von der AfD)

Von der Warte her kann ich nicht mehr dazu sagen als: Das ist für mich Demokratie.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir haben alle Ecken und Kanten und gute und schlechte Seiten. Aber es geht hierbei um die Sache.

Vizepräsident Wulf Gallert:

Kollege Borchert hat mich gerade darauf hingewiesen, dass er auch die Chance hat, sich nach der Rede sofort hinzusetzen, wenn er das möchte. Herr Borchert, Sie sind in einer privilegierteren Situation gegenüber dem Minister.

Carsten Borchert (CDU):

Das weiß ich.

Vizepräsident Wulf Gallert:

Denn Sie als Abgeordneter können nicht gezwungen werden zu antworten. Wenn Sie das machen möchten, können Sie das tun. Das hindert mich als Präsident allerdings nicht, dass ich denjenigen, der sich meldet, noch drannehme. Sie sind völlig frei in Ihrer Entscheidung. Der frei gewählte Abgeordnete kann entscheiden, ob er sich hinsetzt oder nicht, ob er antwortet oder nicht. Ich kann allerdings nicht entscheiden, ob ich jemanden drannehme oder nicht.

Deshalb nehme ich jetzt den Kollegen Roi noch dran, der sich gemeldet hat. Bitte.

Daniel Roi (AfD):

Darf ich?

Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie dürfen, ja. Sie dürfen ohnehin etwas sagen.

Daniel Roi (AfD):

Gut. – Es geht in die gleiche Richtung wie vorhin schon bei Innenminister Stahlknecht. Vorhin hatte ich das Zitat des Herrn Jäger und die Statistiken des sozialdemokratischen Innenministers zur Untermauerung der Begründung zu dem Antrag vorgebracht. Offensichtlich ist das aber nicht angekommen. Deshalb biete ich Ihnen etwas an. Was sagen Sie denn dazu, wenn wir sagen, okay, wir ändern den Antrag entsprechend? Das heißt, den Antrag ändern wir nicht, sondern die Begründung. Wir nehmen mit Ausnahme des ersten Satzes alles heraus.

(Rüdiger Erben, SPD: Das geht nicht mehr!)

Würden Sie dann dem Antrag zustimmen? Im Übrigen: Der Antrag ändert sich nicht. Die Begründung beschließen wir nicht mit.

Aber wenn wir alles herausnehmen würden, quasi einen Änderungsantrag zu unserem eigenen Antrag einbringen würden, in dem wir bis auf den ersten Satz die Begründung streichen würden, könnten Sie dann dem Antrag zustimmen, da Sie das mit den Statistiken offensichtlich nicht verstanden haben?

(Zuruf: Gelatscht ist gelatscht!)

Carsten Borchert (CDU):

Ich antworte darauf. Ich antworte einmal zu den Schülern dort oben: Sehen Sie, wenn das nicht funktioniert, dann nehmen wir das weg und nehmen etwas anderes, bis es   oh, Entschuldigung, ich muss ja hier bleiben   passt, dass alle draußen Ja sagen.

(André Poggenburg, AfD: Kompromiss!)

Das ist doch das beste Beispiel gewesen. Ich drehe das so lange hin, bis es passt.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN – Zurufe von der CDU, von der SPD, von den GRÜNEN und von der AfD)

Vizepräsident Wulf Gallert:

In Ordnung.

Carsten Borchert (CDU):

Ich bin eigentlich mit meiner Rede durch. Da schon sehr viel gesagt wurde, werde ich keine weiteren Fragen beantworten. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN – Zuruf bei der AfD: Buh!)

Vizepräsident Wulf Gallert:

Danke, Herr Borchert. – Wenn ich das richtig gesehen habe, Herr Tillschneider, haben Sie sich noch einmal gemeldet. Wollen Sie noch eine Intervention machen? – Dann hätten Sie jetzt noch 120 Sekunden Zeit dafür. Bitte.

Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Ich wollte nur fragen, ob es parlamentarischer Brauch ist, in Richtung der Gäste zu antworten.

(Zuruf: Ja!)

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